
Die Logistikbranche hat ein Imageproblem - und ist selbst schuld daran.
Logistik – mit Markenführung aus der Schmuddelecke
Artikel
19. Dezember 2012 ▪ Lesezeit: ca. 2:40 Min.
Mitte Oktober 2012 war es wieder so weit: Spitzenvertreter der Logistik – aus Dienstleistungsunternehmen, Industrie, Verbandswesen und Politik – trafen sich im Berliner Luxushotel InterContinental zum 29. » Deutschen Logistikkongress. Drei lange Tage diskutierten sie über Vernetzung, Globalisierung, Nachhaltigkeit, Innovationsmanagement, Lean Management oder Leadership.
Der Trendforscher Mathias Horx referierte über Zukunftsforschung, der Unternehmer Claus Hipp über ehrbares Kaufmannstum und der Politiker Frank-Walter Steinmeier über Treiber des Strukturwandels. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch Vor-Ort-Besuche („Outdoor-Sequenzen“) bei interessanten Unternehmen, durch Preisverleihungen und durch einen festlichen Gala-Abend.
Allein, ein Thema fehlte an diesen drei Tagen: die Außenwirkung, das Image der Logistikbranche.
Szenenwechsel: In einer Kneipe in Koblenz diskutiere ich mit einigen Studierenden über das vergangene Semester. Dabei kommen wir auch auf meine praktischen Erfahrungen zu sprechen, die ich vor meiner Hochschulzeit in der Logistikbranche sammeln durfte. „Ach was“, stichelt ein Student scherzhaft, „da haben Sie es also vom Paketzusteller bis zum Professor geschafft?“ Als ich erwidere, dass die Logistik eine sehr dynamische und innovative Branche sei und spannende Berufsfelder biete, entwickelt sich eine lebhafte Diskussion.
Im Laufe des Abends erfahre ich: Keiner der Absolventen hat die Absicht, sich bei einem Logistiker zu bewerben. Denn: die Branche wecke viele negative Assoziationen.
Die Logistikbranche hat ein Imageproblem. Aber wie kann das sein? Warum wird eine Branche, die allein in Deutschland rund 2,8 Millionen Menschen beschäftigt, Umsätze von rund 220 Milliarden Euro erwirtschaftet (2011), kontinuierlich für Wachstum sorgt und, last but not least, für das tägliche Leben der Menschen eine enorme Bedeutung hat, weitgehend negativ wahrgenommen?
Die Antwort lautet: Die Branche ist selbst schuld daran! Zu selten bot sie der Öffentlichkeit überzeugende Inhalte jenseits generischer Bilderwelten (Klassiker: LKWs und Firmengebäude), austauschbarer Schlagwörter (zum Beispiel schnell, vernetzt, global) und durchschaubarer PR-Kampagnen (wie 2005 während der LKW-Maut-Einführung). Sie betrieb keine fundierte Auseinandersetzung mit der eigenen Identität sowie deren Vermittlung nach außen. Diese unterblieb sowohl auf Verbandsebene als auch auf der Ebene der einzelnen Marktteilnehmer.
Dabei wäre es kein Hexenwerk, das Image der Logistik nachhaltig zu verändern. Aus der Sicht des » Markenberaters sind hierzu fünf Schritte notwendig:
Schritt 1: Bildung eines Projektteams
Verbände, Dienstleister und Industrie sollten ein Projektsteuerungsgremium aus maximal 30 Vertretern bilden, das die fünf Schritte koordiniert und dazu ermächtigt ist, deren Ergebnisse zu verabschieden. Zu den Dienstleistern sollten sämtliche „Typen“ gehören, also Spediteure, Lagerlogistiker, KEP-Dienstleister, Bahnlogistiker und weitere Branchenspezialisten.
Schritt 2: Branchenanalyse
Es werden fünf bis zehn wesentliche Eigenschaften identifiziert, durch die sich die Branche – in ihrer Innensicht – auszeichnet. Hierfür dürfte es hilfreich sein, folgende Fragestellungen zu diskutieren:
Welche besonderen Kompetenzen haben Logistikunternehmen?
Was ist typisch für die Logistikbranche?
Was macht Unternehmen der Branche erfolgreich?
Welche Probleme aus Wirtschaft und Gesellschaft kann nur die Logistikbranche lösen?
Am Ende dieses Projektschritts sollte etwas wie ein Markenkern entstanden sein, der mit wenigen, aber passgenauen Wörtern die Branche umschreibt.
Schritt 3: Resonanzanalyse
Nun wird die externe Sicht auf die Branche untersucht. Wie wird die Logistik von außen wahrgenommen? Welche Attribute hat sie glaubhaft besetzt? Wodurch begeistert sie ihre Kunden? Und: In welchen Punkten decken sich Innen- und Außensicht? Abschließend sollte Einigkeit darin bestehen, welche Branchenattribute in der öffentlichen Wahrnehmung bereits positiv verankert sind und gleichzeitig zur Innensicht der Branche passen.
Schritt 4: Positionierung
Jetzt geht es um das Kernproblem der Branche: ihre » Markenpositionierung. Wir raten dazu, mögliche Positionierungskriterien auf Grundlage der bisherigen Arbeitsergebnisse (Schritte 1 und 2) zu entwickeln. Dabei sollten sogenannte „Aha-Kriterien“ erarbeitet werden – also solche, die zur Branche passen, die für die Kunden wichtig sind und die von keiner anderen Branche vereinnahmt werden.
Sind die Aha-Kriterien identifiziert, müssen sie zu einem Positionierungs-Statement verdichtet werden. Im Idealfall entsteht daraus eine Nr.1-Position, die in einem Satz aufzeigt, wo genau der Wettbewerbsvorteil der Branche liegt.
Schritt 5: Strategische Programme und Maßnahmenplanung
Welche strategischen Handlungsfelder müssen angepackt werden, um die neue Positionierung der Branche zu stärken? Darum geht es im fünften und letzten Schritt. Zu den Handlungsfeldern zählen sicherlich das Personalmarketing der Branche sowie das Branchenmarketing insgesamt.
Und natürlich sollten die Projektergebnisse die einzelnen Branchenteilnehmer in ihrer Selbstdarstellung anregen und beeinflussen. Zudem sollten in dieser Stufe passende » Markenführungsmaßnahmen und so genannte „Quick-Wins“ ermittelt werden, die in einem Zeit- und Maßnahmenplan festzuhalten sind.
Der fünfstufige Ansatz ist angelehnt an die Phasen der » Markenstrategie-Projekte, die Brand:Trust in den vergangenen zehn Jahren begleiten durfte – es waren über 200 in unterschiedlichen Branchen und Ländern.
Wir sind überzeugt, dass die beschriebene Vorgehensweise dazu beitragen kann, das „Schmuddel-Image“ der Logistik zu beseitigen. Es wäre schade, wenn die Branche diese Chance nicht wahrnimmt.
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