
Die Luxusmarke Loro Piana will von Menschen mit einem hohen Qualitäts- und Luxusanspruch wertgeschätzt werden. Eine breite Markenbekanntheit hingegen war ihr schon immer egal.
Markenanalyse
Markenbekanntheit: Das können Markenmanager von einer Luxusmarke lernen
Zwei Meldungen liefen zu Beginn des Jahres über den Äther. Meldung 1: In Mailand ist Sergio Loro Piana, der Mitinhaber der Luxusmarke Loro Piana und oft mit dem Titel „König des Kaschmirs“ bedachter Unternehmer, mit 69 Jahren verstorben. Meldung 2: In Thüringen wurde eine Studie veröffentlicht, mit der die Bekanntheit verschiedener Marken aus Thüringen in Deutschland ermittelt wurde, im Osten wie im Westen.
Vordergründig könnte man zwischen diesen beiden Nachrichten partout keinen Zusammenhang erkennen. Dennoch lohnt sich eine Gegenüberstellung, denn sie macht zwei Sichtweisen auf Markenstrategien, Markenattraktivität und was eine Marke zum Erfolg führt, offensichtlich, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
Widmen wir uns zunächst » Loro Piana: Wir dürfen annehmen, dass die Marke nur einem sehr kleinen Kreis an Konsumenten auf Anhieb bekannt ist – wenn überhaupt. Seit 1924 hatte sich die Familie Loro Piana im Piemont der handwerklichen Produktion von Wolle und Stoffen verschrieben. In sechs Generationen brachte sie es zu einem weltweit geschätzten Luxusanbieter im Stoffsektor. Zuletzt vertrieben 130 eigene Markengeschäfte die Kreationen weltweit, und noch viel größer ist der Anteil an Zulieferungen der Edelstoffe für handverlesene Konfektionsanbieter.
Als im Sommer 2013 bekannt wurde, dass die Brüder Sergio und Pier Luigi Loro Piana ihr Unternehmen für spektakuläre 2,7 Milliarden Euro an den französischen Luxusgüterkonzern » LVMH abgegeben hatten, staunte selbst die Fachwelt nicht schlecht. Auch sie hatte den Wert dieser Marke, deren Bekanntheit sich auf eine relativ kleine Zielgruppe gut betuchter Kenner beschränkte, großmächtig unterschätzt.
Loro Pianas Erfolgsrezept: der Verzicht auf Markenbekanntheit
Das Geheimnis der Loro Pianas war seit jeher, die gesamte Wertschöpfungskette ihres Produktes zu kontrollieren und in punkto Qualität nichts dem Zufall zu überlassen. Zudem waren die Verwender der Loro-Piana-Stoffe verpflichtet, ihre Endprodukte mit dem Label des Stofflieferanten auszustatten, und zwar im sichtbaren Bereich an der Innenseite der Sakkos. Damit avancierte die Marke zum Gütesiegel und trieb ihre Begehrlichkeit sukzessive nach oben: Ein Anzug aus Loro-Piana-Stoffen wurde – unabhängig von seinem Hersteller – zu einem besonderen Stück.
Die piemontesischen Unternehmer arbeiteten mit größter Konsequenz ausschließlich an der Begehrlichkeit ihres Produkts. Sie unterließen es bewusst, die allgemeine Bekanntheit erhöhen zu wollen. Es war ihnen schlichtweg egal, ob jedermann ihre Marke kannte, ob ungestützt oder gestützt. Sie wussten, dass der Unternehmenswert am Faktor Attraktivität gemessen wird – und nicht an jenem der umfassenden Bekanntheit.
So offensichtlich die Bedeutung der Markenbegehrlichkeit für den Markenerfolg auch sein mag: Trotzdem hält sich folgendes Missverständnis wacker: dass eine möglichst lückenlose Bekanntheit in der Masse eine hohe Kaufbereitschaft und daraus folgend eine gute Marge für den Produktanbieter bedeutet.
Das sah man in Thüringen wohl ebenso, als ein renommiertes Marktforschungsinstitut aus Erfurt damit beauftragt wurde, die Ost-West-Markenbekanntheit von Produkten aus Thüringen großflächig abzufragen. 2000 Menschen wurden gebeten anzugeben, ob sie unter rund 60 Marken auch jene 18 kennen, die aus Thüringen stammen.
Das Ergebnis: Köstritzer Bier (heute im Besitz von Bitburger), der Nordhäuser Doppelkorn (Rotkäppchen) und die Wurstwaren „Die Thüringer“ (Dornheim) landeten auf den ersten drei Bekanntheitsplätzen, gefolgt von Produkten aus den Warengruppen Senf und Mineralwasser.
Ein verbreitetes Missverständnis: dass Markenbekanntheit ein Indiz ist für Markenerfolg
Die Lokalpresse berichtete Anfang des Jahres über die Studie: » Wie bekannt sind Thüringer Marken in Ost und West? und » Thüringer Bier, Korn und Wurst sind auch im Westen geschätzt. Tenor der Ergebnisse: Thüringen können sich für den Bekanntheitsgrad einiger seiner Produkte rühmen, denn sie seien auch außerhalb seiner Landesgrenzen bekannt.
Doch die Bekanntheit allein ist kein Erfolgsindiz. So lesen sich diese Meldungen beim genaueren Hinsehen schon differenzierter: So wird ein Thüringer Markenproduzent zitiert, dass neben der Bekanntheit eines Produkts eine „entsprechende Qualität“ entscheidend sei. Und vom Geschäftsführer des Instituts für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung IMK (sie führte die Studie durch) stammt der gewichtige Satz: „Allerdings sagt die Bekanntheit im Heimatmarkt nichts darüber aus, ob das Produkt wirklich gekauft wird". Wie wahr.
Wer Marke sein will, muss sich an seiner Begehrlichkeit messen lassen – und die Bekanntheit als Konsequenz ersterer verstehen. Die Ursache für Attraktivität ist nach wie vor die bewiesene Spitzenleistung eines Unternehmens, die sich in seinen Produkten glaubhaft widerspiegelt. Wären die Stoffe von Loro Piana nur großartig bekannt gewesen, ohne nachgewiesene Nachfrage in ihrer Zielgruppe, so hätte man bei LVMH in Paris über den Kauf dieser Luxusmarke – als Ergänzung zu Louis Vuitton, Moet&Chandon, Bulgari, Dior und vielen anderen – keinen einzigen Gedanken verloren.
Ob Städte, Destinationen, Produktmarken oder Unternehmen: nach wie vor stehen die Investments in eine höhere Bekanntheit auf der Prioritätenliste der Verantwortlichen ganz oben. Stattdessen sollten sie sich die Köpfe heiß denken, wie sie an ihren Attraktivitäts-Treibern drehen könnten. Auch der Autohersteller Opel könnte ein Lied davon singen, was es bedeutet, wenn man bei allen nur „bekannt“ ist. Sergio Loro Piana würde darüber nur lächeln.
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