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Keine Konkurrenz, sondern Partnerschaft: Luxusmarken profitieren, wenn sich stationärer Handel und Webshop sinnvoll ergänzen.

Markenführung

Luxusmarken im Online-Vertrieb – kann das funktionieren?

27. November 2013 - Luxusmarken folgen besonders strengen, exklusiven Regeln. Das Internet scheint deshalb für Luxusgüter nicht als Verkaufsplattform geeignet. Stimmt das?

Vor allem Luxusmarken brauchen starke Grenzen: Was ihre Erhältlichkeit anbelangt. Was ihren Preis, ihre Distribution anbelangt – und natürlich müssen auch Kodierung und Kommunikation dem ausgrenzenden Luxusprinzip entsprechen. Luxus ist das, was nicht jeder bekommen kann.

Auf dem Online-Markt hingegen herrschen völlig andere Regeln: Dort gibt es massenhaft verfügbare Waren, die von jedermann jederzeit, ohne Mühe und zu bezahlbaren Preisen erworben werden können. Die dazu gehörenden Kampagnen sind aufmerksamkeitsstark, großflächig und für große Zielgruppen konzipiert.

Die Online-Distribution birgt deshalb große Gefahren für Luxusmarken:

  1. Sollten sie an jeder Ecke – also auch online – zu bekommen sein, ginge ein großer Teil ihres Reizes verloren. Je erreichbarer sie sind, desto banaler werden sie.

  2. Zum Kaufprozess von Luxusmarken gehören die Kennerschaft und das Wissen um Geheimtipps. Es geht um das Beherrschen von Codes, die andere nicht verstehen. Doch im Web wird dieses Distinktionssystem demokratisiert, es egalisiert die Kennerschaft – und demontiert den Luxusgedanken.

Es bleibt die Frage: Luxusmarken und E-Commerce – kann das jemals zusammenpassen? Das Interesse an einem solchen Zweckbündnis ist durchaus vorhanden: Viele Luxusmarkenmanager sind mittlerweile der Gier der Quartalsberichte unterworfen. Zwar müssen sie einerseits Hürden und Grenzen verteidigen, um die Marke attraktiv zu erhalten – aber gleichzeitig müssen sie dafür sorgen, dass die Umsatzzahlen steigen.

Könnte der Online-Markt Lösungen für dieses Dilemma bereithalten? Ja, das könnte er – sofern die Manager von Luxusmarken neue, besondere Gesetzmäßigkeiten entwickeln, mit denen sie im Web agieren. Denn klar ist: Luxusgüter brauchen dort besondere Mechanismen, die üblichen Regeln des Online-Markts sind für sie keine Option. Diese Entwicklung steht erst am Anfang.

Doch es gibt erste Hinweise, wie der Umgang mit Luxusmarken funktionieren könnte. Fünf davon habe ich zusammengestellt:

1. Auch im Web brauchen Luxusmarken Barrieren

Auch online sind Hürden, Codes und Grenzen wichtig, die überwunden werden müssen, um zum heiligen Gral der Luxusmarke vorzustoßen. Dies gelingt im Web zum Beispiel durch rigides Empfehlungsmarketing oder durch Angebote mit exklusivem Club-Charakter. Was spricht dagegen, das System der stationären Luxusanbieter auf Online-Shops zu übertragen? Das Besondere gibt es bei » MyTheresa nicht auf der ersten Ebene, sondern in speziellen Bereichen, in die nicht jeder kommt  – wie in den Prêt-à-porter-Häusern in Paris.

Exklusivität ist einer der wichtigsten Attraktionsfaktoren für Luxusmarken. Der Begriff stammt von excludere – ausschließen. Weil der Online-Handel aber einschließt, müssen auf anderer Ebene umso höhere Hürden aufgebaut werden, damit der Reiz gewahrt bleibt. Wer Luxusmarken online verkauft, sollte zum Beispiel den Code des Produkts verstärken, noch diskreter werden, noch tiefer gehen, noch detaillierter werden.

Es gibt Marken, die kodieren sehr intelligent. Bottega Veneta zum Beispiel nutzt nicht einmal Labels, sondern gibt sich über die Machart zu erkennen. Solche Distinktionsgrenzen sollte man übertragen und gegebenenfalls massiv verstärken.

2. Verkaufen Sie im Web keine Eintrittsprodukte

Wenn Sie Ihre Luxusmarke im Web vermarkten wollen, sollten Sie dort keine Eintrittsprodukte feilbieten, zum Beispiel Schlüsselanhänger. Denn damit reißen Sie zwei wichtige Luxushürden auf einmal: die Erhältlichkeit und den Preis. Eine der beiden sollte bestehen bleiben: Entweder verkaufen Sie diese online, aber sehr teuer – oder sie vertreiben diese nur offline, in ausgewählten Shops, um den Reiz des Besonderen zu wahren.

Auch jungen Menschen, die sie an Ihre Marke heranführen wollen, obwohl sie noch nicht über die nötigen Kaufbudgets verfügen, sollten Sie es nicht leicht machen. Jeder sollte sich anstrengen müssen, um ein Produkt Ihrer Luxusmarke zu ergattern. Ohne Ausnahme. Verzichten Sie deshalb auf den Online-Verkauf bezahlbarer Einstiegsprodukte. Und hüten Sie sich davor, ihre Güter online zu anderen Preisen zu verkaufen, um den Einstieg zu erleichtern! Geschickt könnte eine Online-Kollektion sein, die man tatsächlich nur im Web – also „versteckt“ – findet. Das wäre ein „Online-Geheimtipp“ – und kein Widerspruch.

3. Luxus-Shops müssen dem intensiven Auswahlprozess ihrer Kundschaft gerecht werden

Weil luxusaffine Kunden das Besondere suchen, sind sie auch bereit, über einen langen Zeitraum hinweg ausgiebig zu recherchieren. Auf diesen besonderen Auswahlprozess müssen sich Luxusshops im Web einstellen.

Auf Amazon können Händler ihre Ware mittlerweile recht ansprechend darstellen, sie haben dafür zum Beispiel mehrere Perspektiven und eine Zoomfunktion. Für Luxusmarkenanbieter bedeutet das: eine solche Produktdarstellung ist mittlerweile Standard, deshalb müssen sie deutlich mehr bieten. Wie ein idealer Online-Luxusshop aussehen könnte, dafür gibt es kein Patentrezept: Das hängt von der Marke ab, ihrer Kollektion, ihrer Produkte und ihrer Ziele. Fest steht: Das Storytelling spielt hierbei eine wichtige Rolle (siehe nächster Punkt).

Sobald die Kaufentscheidung jedoch getroffen ist, wird Amazon zur Benchmark: Auch Luxusmarken-Shops müssen für unkompliziertes Bestellen und eine schnelle Lieferung sorgen.

4. Storytelling beflügelt im Web den Entscheidungsprozess und betont Werte und Exklusivität

Wenn ein Luxusprodukt ein Vielfaches von dem kostet, was ein Interessent in seinen kühnsten Träumen geschätzt hat, dann muss diese „Gap“ durch eine geschickte Leistungsvermittlung überwunden werden. Das gelingt mit Storytelling: der Dramatisierung und Inszenierung des Produkts und des Produktionsprozesses im weitesten Sinne. Weil Luxusmarken viel von ihren Kunden abverlangen, ist Storytelling für sie ein Muss – das gilt selbstverständlich auch für das Internet.

Die Geschichten sollten zeigen, wie tief das Luxusunternehmen in seiner Wertschöpfung geht. Die Details im Herstellungs- und Auswahlprozess und der Einkaufsprozess im Hintergrund werden ungleich wichtiger. Wie etwa das Unternehmen » Hermès, das eigene Krokodilfarmen betreibt und die Tiere so hält, dass sie ihr wertvolles Leder nicht zerkratzen. Solche Geschichten machen den Kunden deutlich, dass sie nicht übervorteilt werden – nicht wie bei Louis Vuitton, das mit einer Manufakturkampagne wirbt und sie einstellen muss, weil sie erstunken und erlogen ist.

Zum Storytelling-Repertoire zählen natürlich auch Youtube-Videos: Wenn Sie ein Designerkleid kaufen, wäre es schön zu sehen, wie es der Designer in seinem Atelier absteckt. Wenn Sie das im Online-Video verfolgen können, entfaltet es seine besondere Wirkung. Zum Storytelling können aber auch Manufakturbesuche oder Reisen zu Wein- und Champagnergütern gehören, die Luxusmarken online anbieten.

5. Online-Shop und stationärer Handel sind keine Konkurrenz, sondern unterstützen einander

Im Internet muss nicht gleich verkauft werden – es kann allein zur Verkaufsvorbereitung eingesetzt werden und dem stationären Handel in die Hände spielen. So wäre es zum Beispiel ein Leichtes, die Konfigurator-Nutzer auf einer Automarken-Website direkt zum Kauf im Web zu animieren. Doch die Anbieter von Premium-Fahrzeugen nutzen diesen Online-Service vorwiegend, um dem Händler vor Ort etwas Gutes zu tun – und liegen damit laut einer Studie genau richtig: Demnach lassen sich die Käufer teurer Fahrzeuge letztendlich » ihr Traumauto lieber vom Händler zusammenstellen (hingegen nutzen nahezu 100 Prozent der Seat-Interessenten dazu den Online-Konfigurator).

Luxusunternehmen müssen das Zusammenspiel ihres Web-Auftritts mit dem stationären Handel klären, bevor sie online aktiv werden. Wie soll der Online-Shop aufgebaut sein und was verkaufe ich darin, damit er nicht zur Konkurrenz meiner Händler wird? Oder nutze ich das Web lieber als Ausstellungsraum, Storytelling inklusive, um die Händler vor Ort zu unterstützen? In diesem Online-Offline-Zusammenspiel kann auch das Internet den Ton angeben, wie Burberry in London zeigt: Die Luxusmodemarke hat seinen Flagship Store in der Regent Street seinem Webauftritt angepasst – und nicht umgekehrt.

Generell muss im Luxusbereich noch geforscht und experimentiert werden, wie markengerechte Shops gestaltet sein sollten. Hier stehen wir erst am Anfang und wir werden noch viele interessante Entwicklungen sehen.

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Klaus-Dieter Koch: Managing Partner, Brand Consultant, Markenberater