
Qualifizierte Bewerber und Mitarbeiter haben heute die Wahl, ihre Anforderungen an die Arbeitgeber steigen. Um sie zu überzeugen und zu binden, brauchen Unternehmen eine starke Arbeitgebermarke.
Ohne starke Arbeitgebermarke haben Unternehmen keine Zukunft
Artikel
7. November 2016 ▪ Lesezeit: ca. 3:30 Min.
Abstract
Die attraktivsten Arbeitgebermarken vermitteln vor allem, warum es sie gibt. Dabei geht es beim Employer Branding nicht um oberflächliche Kommunikation, sondern um drei zentrale Elemente:
• Die gelebte Kultur – Wie handeln und kommunizieren Mitarbeiter, Führungskräfte und Vorstand?
• Die bestehenden Spitzenleistungen – Welche sind für den Bewerber relevant und grenzen das Unternehmen vom Wettbewerb ab?
• Die erlebbare Marke – Sie muss an allen Kontaktpunkten entlang der Bewerberreise erlebbar gemacht werden – vom ersten Kontakt bis zum 1. Arbeitstag oder dem Ende der Probezeit.
Attraktives Gehalt, Mitarbeiterförderung, Work-Life-Balance hingegen erzeugen keine Loyalität bei Bewerbern und Mitarbeitern. Vielmehr steigern solche Leistungsversprechen den Stress für die Organisation, weil der Wunsch nach mehr stetig wächst.
Die Industrie 4.0 verändert die Produktions- und Arbeitswelt. Weil sie über die Zukunftsfähigkeit von Industrieunternehmen entscheidet, fokussieren sich ihre Entscheider vor allem auf die technische Umsetzung: Digitalisierung, Vernetzung und Automatisierung.
Dabei vernachlässigen vor allem deutsche Mittelständler häufig eine zentrale Frage: Wie gewinnen und binden wir die passenden Mitarbeiter, um den Wandel zu meistern? Und wie grenzen wir uns von schillernden Konzernen á la Google ab?
Die Herausforderungen sind enorm: Bis 2025 wird in Deutschland die Zahl der Erwerbspersonen um zwei Millionen sinken. Zudem verändert sich das Anforderungsprofil stark, wegen der Industrie 4.0. Ein Fachkräftemangel – eine vakante Stelle bleibt rund 110 Tage unbesetzt – existiert bereits. Und selbst wenn das Anwerben von Fachkräften gelingt, suchen mehr als 65 Prozent von ihnen bereits in den ersten drei Monaten nach einer anderen Stelle.
Der Name: der einzig verbliebene Orientierungspunkt für Bewerber
Qualifizierte Bewerber haben die Wahl, ihre Anforderungen an potentielle Arbeitgeber steigen. Zugleich verlieren konventionelle Leistungsversprechen – etwa ein attraktives Gehalt – für sie an Relevanz. Damit haben Unternehmen kaum noch die Möglichkeit, sich mit solchen Argumenten abzugrenzen oder Mitarbeiter zu binden. Dennoch werben Personaler weiterhin damit. Die Folge: Immer häufiger verhindert nur noch der Unternehmensname eine Verwechslung. Hinzu kommt, dass weniger als die Hälfte der Kandidaten weiß, wofür ein Unternehmen als Arbeitgeber wirklich steht.
Also steigt das Risiko, dass Stellen lange unbesetzt bleiben, neue Angestellte aufgrund des Wertefits frühzeitig kündigen oder erfahrene Mitarbeiter wechseln, wodurch die Leistungsfähigkeit sinkt und die Kosten steigen.
Eine starke Arbeitgebermarke, die spezifische Werte vermittelt, Differenzierung und Relevanz schafft, minimiert diese Gefahr. Deshalb forciert jedes zweite Unternehmen derzeit die Positionierung der Arbeitgebermarke. Der Kampf um die Talente läuft. Aber wie steigert ein Unternehmen die Attraktivität seiner Arbeitgebermarke systematisch und schafft somit einen Unterschied zum gefühlt einzigen Orientierungskriterium „Firmenname"?
Schöner Scheitern durch oberflächliches Personalmarketing
Eine starke Arbeitgebermarke entsteht nicht durch das Aufhübschen der Karriere-Webseiten oder Stellenanzeigen. Auch emotionale Bilder zahlen erst dann auf die Anziehungs- und Abgrenzungskraft ein, wenn sie dem Bewerber die spezifische Identität sowie die Einzigartigkeit der Arbeitgebermarke vermitteln.
Deshalb geht es beim Employer Branding (dt. Arbeitgebermarkenbildung) nicht um oberflächliche Kommunikation, sondern um drei zentrale Elemente:
- Die gelebte Kultur: Wie handeln und kommunizieren Mitarbeiter, Führungskräfte und Vorstand? Dies gilt es, sich bewusst zu machen, in spezifischen Werten auszudrücken und sicherzustellen, dass die Führungskräfte die Marke vorleben und die Mitarbeiter danach leben.
- Die bestehenden Spitzenleistungen: Welche sind für den Bewerber relevant und grenzen das Unternehmen vom Wettbewerb ab? Diese sollten zu einer klaren Nr. 1-Position verdichtet werden.
- Die erlebbare Marke: Sie muss an allen Kontaktpunkten entlang der Bewerberreise erlebbar gemacht werden – vom ersten Kontakt (etwa in der Universität oder durch einen Bekannten) über den Bewerbungsprozess mit Vorstellungsgespräch und der Zu- bzw. Absage, die Wartezeit bis zum 1. Arbeitstag oder dem Ende der Probezeit.
Schritt 1: Nur Nullen haben keine Kanten
Personen wie der Dalai Lama und Steve Jobs, aber auch Marken wie Harley Davidson und Apple, ziehen Menschen über ihr Wertesystem an. Diese positiven Vorurteile entstehen nicht in einem Kreativprozess über Nacht, sondern basieren auf Spitzenleistungen, die über Jahre auf gleichbleibendem Niveau erbracht werden und so zu Werten sedimentieren. Aus der Zusammensetzung von spezifischen Werten resultiert die einzigartige Identität. Somit sind die Werte der Ausdruck gelebter Kultur, die passende Mitarbeiter anzieht und bindet.
Folglich erhöht ein spezifisches und vor allem gelebtes Wertesystem nicht nur die Anziehungs- und Abgrenzungskraft, sondern minimiert das Risiko, dass neue Mitarbeiter aufgrund eines fehlenden Wertefits kurz- oder mittelfristig kündigen.
Schritt 2: Gewöhnlichkeit ist der Feind jeder Marke
Attraktives Gehalt, systematische Mitarbeiterentwicklung, hohe Work-Life-Balance – solche Manipulationstechniken zeigen Wirkung. Aber sie erzeugen keine Attraktivität und echte Loyalität bei Bewerbern und Mitarbeitern. Vielmehr steigern solche omnipräsenten Leistungsversprechen den Stress für die Organisation, weil der Wunsch nach mehr stetig wächst.
Die attraktivsten Arbeitgebermarken vermitteln dagegen vor allem, warum es sie gibt – zum Beispiel Tesla mit „to accelerate the world's transition to sustainable transport". Sie inspirieren, indem sie aufzeigen, welchen Beitrag jeder leistet. Dadurch grenzt sich bspw. Tesla von den restlichen Autoherstellern klar ab, spricht nicht nur autoaffine, sondern alle Menschen mit einer spezifischen Überzeugung an, und erzeugt damit Attraktivität oder Loyalität bei den passenden Mitarbeitern.
Folglich erhöht eine klare Markenpositionierung, konkretisiert für den Arbeitsmarkt, nicht nur die Anziehungs- und Abgrenzungskraft eines Unternehmens. Sie steigert gleichzeitig den Mitarbeiterstolz und reduziert den Profilierungsdruck durch austauschbare Botschaften.
Schritt 3: Starke Marken wachsen von innen nach außen
Die Markenwahrnehmung und damit die Entscheidung des Bewerbers für oder gegen ein Unternehmen resultiert nicht aus einzelnen Kontaktpunkten, z.B. die Zu- oder Absage, sondern entsteht entlang der gesamten Bewerberreise.
Nur wenn die Marke für den Bewerber an allen Kontaktpunkten entlang dieser Reise, bspw. vom Erfahrungsbericht eines Bekannten über die Begrüßung am Empfang oder das Verhalten der Interviewer bis zur Vertragsunterzeichnung erlebbar wird, grenzt sich das Unternehmen klar ab und zieht die passenden Mitarbeiter an. Es reicht nicht, wenn nur die Markenkontaktpunkte wie die Karriere-Webseite oberflächlich optimiert werden und dadurch die Werte und die Positionierung der Arbeitgebermarke klar vermittelt. Die Führungskräfte und Mitarbeiter müssen ebenso an die Marke glauben und danach konsequent leben.
Darum lohnt sich die Investition in eine starke Arbeitgebermarke:
- Niedrigere Personalkosten – etwa durch eine geringere Fluktuation, schwächerem Profilierungsdruck und einer höheren Effektivität im Personalmarketing
- Mehr Wertschöpfung – durch eine höhere Produktivität und begeisterndes Kundenerlebnis aufgrund des gesteigerten Mitarbeiterstolzes.
- Höhere Wettbewerbsfähigkeit – etwa durch stärkere Mitarbeiterloyalität und der höheren Anziehungskraft für die passenden Talente und Experten.
In diesem Sinne: Nur was innen glüht, kann außen leuchten!
Selbst-Test: Sichern Sie bereits die Zukunftsfähigkeit vom Unternehmen oder betreiben Sie noch oberflächliches Personalmarketing? Um das herauszufinden, sollten sie sich diese drei Fragen stellen:
- Existieren spezifische Werte für die Arbeitgebermarke, die dem Bewerber sowie Mitarbeiter die gelebte Kultur und die Einzigartigkeit vom Unternehmen als Arbeitgeber glaubhaft vermitteln?
- Wird dem Bewerber die Einzigartigkeit der Arbeitgebermarke durch ein glaubwürdiges, attraktives und differenzierendes Leistungsversprechen klar vermittelt?
- Ist die Arbeitgebermarke durch die Werte und Positionierung an allen Kontaktpunkten entlang der kompletten Bewerberreise konsequent erlebbar?
Nur wenn Sie die Fragen aus Sicht des Bewerbers mit einem klaren „JA" beantworten können, zahlt die Arbeitgebermarke auf die Anziehungs- und Abgrenzungskraft des Unternehmens ein.
Weitere Insights zu diesem Thema erfahren Sie beim Employer Branding-Lehrgang.
Ein gutes Gehalt sorgt nicht für Loyalität – ganz im Gegensatz zu einer starken Arbeitgebermarke