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Märchenstunde für Markenmanager: Darum brauchen Massenmarken Kulturcodes
Artikel
6. Dezember 2012 ▪ Lesezeit: ca. 2:10 Min.
Wir alle kennen Robin Hood, den Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit, der den Reichen nimmt und den Armen gibt. Robin Hood ist ein kultureller Code, der sich tief ins kollektive Gedächtnis der westlichen Kulturen eingebrannt hat. Gerade in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise ist dieser kulturelle Code hochaktuell.
Der findige ungarische Telekommunikationsanbieter DIGI nutzt diesen kulturellen Code für ökonomische Zwecke. In einem Markt, der jahrelang von hohen Preisen und Profiten bestimmt wurde, verspricht er seinen Kunden Basisdienstleistungen zu einem günstigen Preis. Die von der Wirtschaftskrise hart getroffenen Ungarn nehmen dieses Angebot bereitwillig an.
In der breiten Wahrnehmung ist DIGI nicht etwa ein weiterer Telekommunikationskonzern. Nein, DIGI wird als jemand „von uns“ wahrgenommen – als jemand, „der unsere Interessen vertritt“. Die Positionierung von DIGI als „Robin Hood unter den Telekommunikationsanbietern“ hat voll eingeschlagen.
Auch Massenmarken brauchen eine spitze Positionierung
Telekommunikationsanbieter sind Massenmarken, genauso wie die Marken der FMCG-Industrie oder auch Automobilmarken im Volumensegment. Massenmarken stehen vor der besonderen Herausforderung, sich einerseits eindeutig – also spitz genug – zu positionieren, zugleich aber auch ein Massenpublikum anzusprechen.
Eine » Positionierung, die auf einem kulturellen Code basiert – wie DIGIs Robin Hood-Positionierung –, leistet genau dies: Sie ist klar, spitz und eindeutig. Es ist klar, wofür dieser kulturelle Code steht, nämlich: Den Reichen nehmen, den Armen geben. Zugleich ist die Positionierung massenfähig, weil ein kultureller Code wie Robin Hood im kollektiven Bewusstsein verankert ist und damit jedem von uns vertraut ist.
Die Positionierung einer Massenmarke anhand eines kulturellen Code löst also die Zwickmühle von Massenfähigkeit auf der einen und Spezifik auf der anderen Seite.
Die Vielfalt kultureller Codes ist unerschöpflich
Kulturelle Codes sind die immateriellen Artefakte der Kulturgeschichte eines Volkes. So sind sämtliche Mythen und mythische Gestalten kulturelle Codes.
Der Cowboy ist so ein Code, keine Gestalt verkörpert den Spirit von Freiheit, Abenteuer und harten Kerlen besser. Diesem Mythos – beziehungsweise der Positionierung der Marke auf diesen Mythos – verdankt Marlboro seinen jahrzehntelangen Erfolg. Die aktuelle Marlboro-Kampagne „Don’t be a Maybe – be Marlboro“ mag zwar in dieselbe Kerbe schlagen. Sie bleibt jedoch kraftlos und blass im Gegensatz zu früheren Kampagnen, die durch die Magie des Cowboys besondere Anziehungskraft hatten.
Auch sogenannte „Allgemeinplätze“ (Common Places) sind kulturelle Codes. Die Großmutter ist ein solcher Allgemeinplatz, ebenso das Landleben oder das Kochbuch.
Der » New Yorker Gourmet-Tempel Dean & DeLuca nutzt den Marktplatz als kulturellen Code. Sein Interieur spiegelt die Vielfalt und die Frische eines Marktplatzes wider, die Warenpräsentation und -auszeichnung sind Marktständen nachempfunden. Mit dem kulturellen Code Marktplatz stieg Dean & DeLuca zu einer hochpreisigen Kultmarke für Liebhaber guten Essens auf.
Vorsicht vor allzu häufig verwendeten Codes
Herkünfte sind ebenfalls gebräuchliche kulturelle Codes. Ein Parfüm muss aus Frankreich stammen, denn Anmut, Erotik und „Savoir Vivre“ sind nun einmal die Kernkompetenzen dieses Landes – und damit auch der Marke, die den kulturellen Code Frankreich für die Positionierung nutzt. Allerdings: Bei derart häufig genutzten kulturellen Codes stellt sich die Frage nach der Spezifik einer solchen Positionierung.
Höchst differenzierend ist es, wenn man bislang wenig beachtete kulturelle Codes nutzt. So wie es der » Lebensmittelhändler Sutterlüty mit Sitz in Vorarlberg vormacht. Mit der Positionierung anhand des kulturellen Codes Vorarlberg gelingt Sutterlüty ein differenzierender, relevanter Markenauftritt, für den Kunden in der Region und darüber hinaus gerne etwas mehr bezahlen.
Mit einem geeigneten Code kann eine Markenpositionierung gelingen, die sich tief im kollektiven Bewusstsein der Menschen verankert. Ziel muss es also sein, mit geeigneten Methoden einen kulturellen Code zu finden, der zur Marke passt, und diesen konsistent über alle Markenkontaktpunkte zu spielen.
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