
Die Folgen von Preissenkungen können gravierend sein: Entwertung der Marke, Veränderung der Positionierung und Verlust von Stammkunden.
Fallende Preise sind keine Lösung: So bleiben Händler erfolgreich
Artikel
19. April 2011 ▪ Lesezeit: ca. 3:00 Min.
Der harte Wettbewerb ist ein ständiger Belastungstest für Händler – erst recht für solche, die sich auf Marken oder Premiummarken spezialisiert haben. Wenn die Kundenzahl und die Umsätze unter Druck geraten, zeigt sich, ob es die verantwortlichen Manager und Leistungsträger ernst meinen mit ihren Marketing- oder Positionierungskonzepten. Und ob sie über genug Leistungskraft, Fantasie und Selbstvertrauen verfügen, um ihre Kunden trotz des harten Wettbewerbs zum Wiederkommen zu verführen.
Klar: Begrenzte Preissenkungen, um Saisonschwankungen auszugleichen oder Stammkunden für ihre Treue zu belohnen, sind sinnvoll. Das gilt aber nicht für Preissenkungen, die aus einer plötzlichen Panik heraus durchgeführt werden. Auch wenn es paradox erscheint: davon hat keiner was, weder der Kunde, noch der Händler, noch der Hersteller.
Die Folgen solcher Preissenkungen sind gravierend:
Verlust von Stammkunden:
Ein treuer Kunde stellt fest, dass kurz nach ihm ein Freund oder Arbeitskollege das gleiche Produkt billiger, als Schnäppchen des Händlers, erstanden hat. Dieser Schnäppchenjäger wird kein Stammkunde, denn das nächste Sonderangebot lockt ihn woanders hin. Ein Stammkunde, der seit vielen Jahren nie groß um den Preis gefeilscht hat, fühlt sich dann ausgenommen. Und auch er könnte zum Schnäppchenjäger werden, weil er gelernt hat: Wer zu früh kauft, wird bestraft. Und: Treue lohnt sich nicht.
Gefährdung der Marktpositionierung:
Der Händler erkauft sich mit Preissenkungen, die auf Kosten seiner Marge und seines Gewinns gehen, eine Klientel, die nicht in sein Haus passt, weil sie sich erstens das Geschäft zu normalen Preisen weder leisten kann oder will und sie zweitens nicht in den normalen Wertschöpfungszyklus eingegliedert werden kann. Zudem zerstören diese unpassenden Kunden die Positionierung des Hauses und irritieren die Stammkunden.
Markenentwertung:
Mühsam aufgebaute Markensysteme werden durch sich ständig ändernde Preise wirkungslos, denn der Kunde wird zum Vergleich (auch via Internet) quasi gezwungen und entdeckt dadurch neue Vertriebskanäle. Der Lieferant kommt in eine gefährliche Preisschraube, die nach unten führt und ihm das Geld für Marketing sowie Forschung und Entwicklung entzieht. Die Folge: In immer schnelleren Zyklen kommen unausgereifte Produkte auf den Markt, leicht durchschaubare Pseudo-Innovationen ohne durchdachtes Marketing. Sie verstopfen die Lager und die Absatzkanäle und drücken damit auf die Preisstrukturen. Und der Kunde verliert ob des Angebots den Überblick und wird unsicher. Dies wiederum erhöht seine Sensibilität für Sonderangebote, weil diese das Risiko eines Fehlkaufs reduzieren.
Was tun? Es gibt drei Hebel, um den Markt in seinem Sinne zu beeinflussen und sein Haus „voll zu bekommen“:
1. Der objektive Nutzen
Dieser ist für den Kunden fast überall gleich: Das Geschäft hat eine gut erreichbare Lage, ein großes Sortiment und eine gute PoS-Struktur. Aufmerksamkeit erregt man hier mit der kleinen Außergewöhnlichkeit, dem Quäntchen mehr. Wenn es aber funktioniert, hat es der Wettbewerb in Windeseile kopiert. Beim objektiven Nutzen kann man nur sehr schlecht taktisch agieren.
2. Der Preis
Die Auszeichnung einer Ware ist für den Kunden ein Kriterium, um die Leistung einschätzen und bewerten zu können. Hier gilt die Regel: Stabile Preise entlasten, ständige Preisschwankungen belasten. Permanente Preisschwankungen zwingen den Kunden zum ständigen Vergleich. Stabile, transparente Preissysteme befreien den Kunden von der Last des ständigen Nach- und Überdenkens, sie schaffen Vertrauen – denn er weiß, dass niemand einen anderen Preis bekommt.
Will man darüber hinaus Rabatte zur Stimulation des Geschäfts einräumen, macht das Prinzip „Leistung – Gegenleistung“ Sinn. Treue, Mehrkauf, Querkauf, aktive Weiterempfehlung sind Leistungen, die der Kunde erbringt und die von Händlern honoriert werden sollten. Dann entfalten die Rabatte ihre positive Wirkung, sie stimulieren das Belohnungszentrum des Gehirns. Da dieses Zentrum immer wieder belohnt werden will, ist das die wirksamste Art, um Kundenbindung und Mehrkaufbereitschaft zu schaffen. Der schöne Nebeneffekt: Rabatte werden kundenindividuell und können von der Konkurrenz nicht kopiert werden.
3. Der subjektive Nutzen
Der dritte Hebel wird nur sehr selten bewusst gemanagt. Er ist bei jedem Kunden unterschiedlich. Der subjektive Nutzen bestimmt (neben dem objektiven Nutzen) maßgeblich den Wert eines Angebots. Er zeigt auf, worin es sich von anderen unterscheidet, was typisch und einzigartig ist und warum es seinen Preis wert ist. Hier kommen alle historischen und gegenwärtigen Spitzenleistungen zum Zug. Sie bilden zusammen mit der „Hartware“ den Gesamtnutzen für den Kunden. Die Höhe dieses Gesamtnutzens entscheidet – nach Abzug des Preises – über den Mehrwert. Und dieser in den Köpfen des Publikums gespeicherte Mehrwert bestimmt die Stärke einer Marke.
Somit gibt es für jeden Händler zwei Möglichkeiten, für Nachfrage zu sorgen: Entweder Preise senken, oder sich darum bemühen, dass sich der Wert der Leistung in den Köpfen der Kunden erhöht. Wer es nötig hat, seine Preise zu senken, um sein Haus voll zu bekommen und nur noch in Deckungsbeiträgen statt in Gewinn denkt, der kann davon ausgehen, dass sein vermittelter Wert viel zu niedrig ist.
Wenn ein Händler sich aber auf die Erhöhung des Mehrwerts konzentriert, dann macht er seinen Betrieb zur Marke. Er koppelt sein Unternehmen von den Marktentwicklungen ab und kann gegen den Trend wachsen. Er spielt sein eigenes Spiel. Das führt zu Zuwachsraten und erzeugt eine Erfolgsspirale. Denn mehr Marge ermöglicht Investitionen, besseres Personal, kundenfreundlichere Angebote, mehr Werbung und PR, bessere Produkte, Innovationen und am Ende glückliche Kunden, die gerne immer wiederkommen.
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