© Maksim Šmeljov - Fotolia.com

Zu Beginn nicht von Erfolg gekrönt, fand der MINI bald begeisterte Anhänger – im britischen Jetset. Seinem Markenkern blieb MINI immer treu. Das war ein zentraler Erfolgsfaktor seiner Wiederbelebung im Jahr 2001.

Markenführung

Das Geheimnis von Kultmarken: eine Entmystifizierung in sieben Schritten

13. Oktober 2014 - Kultmarken umgibt das Geheimnisvolle. Bei realer Betrachtung zeigt sich jedoch: es sind nichts anderes als Marken, die sich konsequent an die Regeln erfolgreicher Markenführung halten.

Gibt es eine Geheimformel, die eine Marke zur Kultmarke macht? Nein. Kultmarken wie Harley Davidson, Apple, MINI oder Rolex sind schlicht und ergreifend äußerst attraktive Marken, die sich konsequent an die Regeln erfolgreicher Markenführung halten. Wer zur (Kult-)marke avancieren möchte, sollte sich sieben Grundsätze zu Herzen nehmen:

1. Erbringen Sie Spitzenleistungen und vermitteln Sie diese selbstbewusst

Das Fundament jeder attraktiven Marke sind Spitzenleistungen. Oft liegt ihr Erfolg in besonderen Pionierleistungen begründet. Anfang des 20. Jahrhunderts beispielsweise dachte man, es sei unmöglich, exakt laufende Uhrwerke für Armbanduhren herzustellen. Rolex-Gründer Hans Wilsdorf erkannte das Marktpotenzial und arbeitete an ihrer chronometrischen Präzision.

Mit Erfolg: eine Rolex-Uhr erhielt 1910 das weltweit erste offizielle Chronometerzertifikat für Armbanduhren. Bis heute ist die Geschichte von Rolex von herausragenden Innovationen geprägt und macht die Marke zu dem, was sie ist: das Symbol für Leistung, Zuverlässigkeit und Präzision.

Herausragende Leistungen sind auch das Fundament attraktiver Marken des Alltags: Google zum Beispiel ist eine der wertvollsten Marken weltweit. Es gibt keine Suchmaschine, die in kürzerer Zeit mehr treffende Suchergebnisse findet. Diese Spitzenleistung verdeutlicht Google, indem stets die Anzahl der Ergebnisse und die benötigte Suchzeit angezeigt werden.

2. Identifizieren Sie den Markencharakter und bleiben Sie ihm treu

Marken mit Kultcharakter haben einen unverwechselbaren Charakter, der durchaus Ecken und Kanten haben darf. Viele Marken werden nicht trotz, sondern gerade wegen dieser Ecken und Kanten geliebt.

Beispiel MINI: Der Kult um das kleine Auto war kein Marketingziel, sondern entstand durch pure Not: Während der Suezkrise 1956 drehte Ägypten den Briten den Erdölhahn ab. Der wurde knapp. Im Auftrag der British Motor Corporation entwickelte Alec Issigonis deshalb ein Auto mit geringem Verbrauch und dennoch ausreichend Platz.

Anfangs nicht von Erfolg gekrönt, fand der MINI bald eine begeisterte Anhängerschaft – den britischen Jetset. Aus deren Sicht bot er eine aufregende Abwechslung zum üblichen Fahrerlebnis in Nobelkarossen. Seine damaligen Macken, z. B. dass er häufig Öl verlor, verzieh man ihm. Seine Andersartigkeit war viel wichtiger. Schon damals war die Marke emotional aufgeladen, das „Excitement” stand im Vordergrund. Nicht trotz, sondern wegen seiner (mangelnden) Größe.

MINI blieb immer seinem Markenkern treu. Das war 2001 ein zentraler Erfolgsfaktor seiner von BMW initiierten Wiederbelebung. Doch die Versuchung, Wachstumspotenziale durch Sortimentserweiterungen zu realisieren, ist riesig. Wenn MINI sein Sortiment weiter ausbaut und es nicht gelingt, den Kern seiner Marke – das MINI-Excitement –auf neue Modelle zu übertragen, wird die Marke über kurz oder lang an Attraktivität einbüßen.

3. Nutzen Sie Zeichen, dank derer man Ihre Marke sofort erkennt

Schätzungsweise 95 Prozent aller Kaufentscheidungen werden unterbewusst gefällt. Umso wichtiger ist es, dass die Einzigartigkeit einer Marke sofort erkannt wird. Dafür brauchen Marken eine starke, unvergleichbare » Markenstilistik.

Wer das erkannt hat, ist M-Budget. Durch das reduziert gehaltene und geschmacklose grün-weiße Muster vermittelt die Marke glaubwürdig, wofür sie steht: Anstatt viel Geld für Design auszugeben, konzentrieren wir uns auf das Wesentliche, nämlich Produkte in guter Qualität möglichst günstig herzustellen. Bei der Markenstilistik ist Gefallen nicht ausschlaggebend. Es geht ausschließlich darum, ob sie den einzigartigen Mehrwert der Marke ausdrückt oder nicht.

4. Identifizieren Sie die Fans Ihrer Marke und pflegen Sie Ihre Markengemeinde

Attraktive Marken laufen niemandem hinterher, sondern ziehen Menschen an. Nicht alle, aber diejenigen, die zählen: Menschen, die sich mit den Werten und Überzeugungen einer Marke identifizieren. Diese bleiben der Marke nachweislich länger treu, empfehlen sie häufiger weiter und sich auch weniger preissensibel.

Der Aufbau einer loyalen Fangemeinschaft begünstigt damit nachweislich profitables Wachstum. Wer dies früh erkannt hat, ist Harley Davidson. Das Unternehmen gründete 1983 die „Harley Owners Group” (H.O.G.), die rund eine Million Fans weltweit vereint. Das Ziel der H.O.G. ist es, den Austausch und die Verbundenheit unter den Harley-Fahrern zu fördern.

Das Engagement zahlt sich aus: Wer beim Börsengang 1986 eine Aktie von Harley Davidson für 100 Dollar erwarb, konnte Ende 2011 rund 14.356 Dollar sein eigen nennen. Rund 50 Prozent aller Kunden, die eine neue Harley Davidson kaufen, besaßen schon zuvor eine.

5. Verwenden Sie passende Trends als Nährboden für Ihre Marke

Im Gegensatz zu schwachen Marken wissen Kultmarken, dass sie nicht auf jeden Trend aufspringen müssen. Das Erfolgsgeheimnis lautet: das Umfeld beobachten, Trends antizipieren und nutzen – aber nur jene, die zur Marke passen. Hervorragend gelungen ist dies der Marke Nike, die mit „Nike+” die größte Jogging-Gemeinschaft der Welt geschaffen hat.

Mit der „Nike+ Running App” gelang es der Marke, die Megatrends Digitalisierung, Connectivity und Health Style glaubwürdig zu nutzen und ihre Mission neu zu definieren: Nike verkauft nicht mehr nur Sportschuhe, sondern ein komplettes Trainingserlebnis. Seinem Markenkern – Authentic Athletic Performance – ist Nike damit näher denn je.

6. Fokussieren Sie sich auf das, was Sie wirklich können

Wer die begehrte Monopolstellung in den Köpfen der Menschen besetzen will, braucht Willen, Fokus und Konsequenz. Eine Marke muss sich entscheiden, wofür sie stehen will und wofür nicht. Fast ein Phänomen radikaler Fokussierung ist Coca-Cola. Das Getränk überzeugte von Beginn an durch seinen einzigartigen Geschmack und seine belebende Wirkung.

Die Spitzenleistung von Coca-Cola: Köstlich. Erfrischend. Ein Stück Lebensfreude. Coca-Cola ist nicht mehr und nicht weniger. Obwohl die Getränkemarke immer mit der Zeit gegangen ist und passende Nährböden kreativ genutzt hat, macht Coca-Cola seit über 125 Jahren im Wesentlichen dasselbe  – aber dies besser als alle anderen.

Dass Fokussierung und Wachstum kein Widerspruch sind, beweist die schwedische Modekette H&M. Ihr Leistungsversprechen: „Fashion and quality at the best price”. Die gesamte Wertschöpfungskette – von der Idee über Produktion, Logistik bis zum Einkaufserlebnis im Store – orientiert sich daran. Neue Segmente, die nicht zur Kernmarke H&M passen, erschließt das Unternehmen konsequent durch den Aufbau eigenständiger Marken wie COS, Monki, Weekday oder Cheap Monday. Damit verhindert das Unternehmen die Überdehnung und Verwässerung der Ursprungsmarke H&M.

7. Machen Sie die Marken an allen Markenkontaktpunkten sinnlich erlebbar

Das Bild einer Marke, das sich im Kopf eines Verbrauchers verankert, ist die Summe aller Erfahrungen mit der Marke. Je mehr diese Erfahrungen mit den Erwartungen (z.B. initiiert durch Werbung) übereinstimmen, desto größer ist die Glaubwürdigkeit der Marke. Entscheidend ist deshalb, dass alle Markenkontaktpunkte die Werte der Marke vermitteln.

Wer das in Perfektion betreibt, ist Apple: Von der Website über das Produkt inklusive Verpackung, das Einkaufserlebnis in den Stores, die Beratung vor Ort – jeder Markenkontaktpunkt trägt die unverwechselbare Apple-Handschrift. Auch Nespresso beherrscht die Kunst der sinnlichen Markeninszenierung exzellent. Die Nespresso-Boutiquen sind weltweit einheitlich gestaltet. Farben, Formen und Materialien spiegeln die Welt des Kaffeegenusses wider. Die hervorragend geschulten Verkäufer klären uns über Herkunft und Besonderheiten der verschiedenen Grand Crus auf.

Fazit: Kultmarken haben nichts Geheimes an sich – sie sind nichts anderes als äußerst attraktive Marken, die sich konsequent an die Regeln erfolgreicher » Markenführung halten.

Ihr Erfolg ist keineswegs Zufall! Es ist immer das Resultat harter Arbeit.

Dieser Artikel ist ein Auszug des ausführlichen Buchbeitrags „Die geheimen Formel der Kultmarke“, der von Claudia Hauser und » Prof. Dr. Holger J. Schmidt – Professor für ABWL und Marketing an der Hochschule Koblenzgeschrieben wurde. Er ist in dem Buch » No. 1 Brands – die Erfolgsgeheimnisse starker Marken erschienen.

Diese Artikel auf Brand Trust Insights könnten Sie ebenfalls interessieren:

» Liebe Markenverantwortliche der Coca Cola Company!

» Wie stark ist die Marke Nespresso?

» Peter Sloterdijk über Marken: „Das Ding will als Fetisch Karriere machen“


Brand Trust