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Das Social Web bietet für Marken große Chancen – wenn man elementare Fehler vermeidet.

Die sieben Todsünden der Markenführung im Social Web

01. Juni 2011 - Die Markenführung und Markenkommunikation funktionieren im Social Web nach besonderen Gesetzmäßigkeiten, die nicht unterschätzt werden dürfen. Christopher Spall beschreibt, worauf es ankommt.

Seit Beginn des Social Media Hypes agieren viele Unternehmen – mehr oder weniger strukturiert – auf den geläufigen Plattformen wie Facebook, Youtube, Linkedin oder dem deutschsprachigen Konkurrenten Xing. Deren Macht ist mittlerweile enorm: Wäre Facebook ein Land, so wäre es gemessen an der Einwohnerzahl mit 500 Millionen aktiven Nutzern größer als die USA. Für Markenführer birgt das Social Web deshalb große Chancen – aber auch Gefahren, die sie sich bewusst machen müssen. Welche geradezu diabolischen Risiken für Marken auf solchen Plattformen lauern, zeigen mittlerweile zahlreiche Beispiele wie jene von Jack Wolfskin, Nestlé (Kitkat) oder der Deutschen Post.

Im April und Mai bekam Henkel die Macht des Social Web zu spüren: Für sein Spülmittel Pril veranstaltete der Konzern einen Design-Wettbewerb: Gesucht wurden die zwei originellsten zwei Pril-Flaschen-Entwürfe. Was als gut gemeinte Aktion begann, drohte auf Facebook in einem „Shitstorm“ unterzugehen, denn die Social-Web-Community wollte ihre eigene Auswahl prämieren und fühlte sich von der eingesetzten Jury übergangen (die offenbar einen völlig anderen Geschmack hatte). Viele beschwerten sich auf der Pril-Facebook-Seite oder machten ihrem Ärger anderweitig Luft, etwa mit der „Chili-Pril-Satire“. Medien wie der Spiegel („Pril-Wettbewerb endet im PR-Debakel“)  und Focus  berichteten über den Aufruhr. Als Henkel am 19. Mai die zwei Sieger-Flaschen auf Facebook bekanntgab – ausgewählt aus über 50.000 Einreichungen –, hagelte es über 900, zum Teil recht abfällige Kommentare.

Diese und viele weitere Marken-Missgeschicke im Social Web sind Zeugen der deutlich veränderten Rahmenbedingungen für Markenführung in den neuen Medien. Schon eine einzige Kundenmeinung kann Marken und Macher schwer schädigen. Dazu kommt: Online-Kunden erwarten sofortigen Response, Schnelligkeit und grenzenlose Transparenz.

Diese Kardinalfehler sollten Sie deshalb im Social Web auf jeden Fall vermeiden:

1. Hochmut: Unterschätzen Sie niemals die Macht einer einzelnen Kundenmeinung – und überschätzen Sie nicht das eigene Leistungsvermögen!

Managen und monitoren Sie Ihre Social-Web-Kontaktpunkte sorgfältig. So erfahren Sie rechtzeitig, was über Sie gesprochen wird und können rechtzeitig gegensteuern bzw. einlenken, damit Ihre Marken bzw. Ihre Markensysteme keinen Schaden nehmen. Gleichzeitig sollten Sie sich nie überschätzen und Leistungen in Aussicht stellen, die im Zweifel nicht geleistet werden können bzw. nicht geleistet wurden. Wunsch-Spitzenleistungen entlarvt die Online-Community sofort. (Praxiserfahrungen liefern nicht zuletzt die öffentlich gefallenen Politsternchen aus dem bürgerlichen Lager.)

2. Geiz: Vergessen Sie niemals, Ihre Aktivitäten mit Incentives zu unterstützen.

Egal, ob Sie Meinungsumfragen starten wollen oder mit Beschwerden innerhalb Ihrer Seiten bzw. Accounts umgehen müssen: Belohnen Sie Ihre Kunden für das Entwickeln von Ideen. So könnten Sie beispielsweise Preise für Verbesserungsvorschläge der Kunden ausloben oder Online-Kampagnen mit Gewinnspielen versehen.

3. Neid: Unterbinden Sie interne Machtspiele!

Es geht nicht darum, welche Abteilung besser mit dem Social Web umgehen kann. Schaffen Sie lieber dezentrale Verantwortlichkeit mit zentraler Koordination. Patentrezepte für die interne Gewaltenteilung in der Frage nach der Hoheit über Social-Media-Themen gibt es ohnehin keine. Aufgrund der Interdisziplinarität des Aufgabenbereichs gibt es jeweils gute Gründe, die Verantwortung für das Steuern der Social-Web-Kontaktpunkte in den Bereichen PR , Marketing, Service bzw. Kundenkommunikation und Vertrieb anzusiedeln. Unternehmensspezifische Faktoren gilt es obendrein zu berücksichtigen. Sorgen Sie deshalb in erster Linie für eine zentrale Koordination und weniger um Machtkämpfe. So könnten beispielsweise stark dialogische Plattformen wie Twitter von der PR, mehr monologisch visuelle Kontaktpunkte (bspw. Youtube) vom Marketing aus bearbeitet werden. Unerlässlich bleibt aber die enge und ritualisierte Abstimmung, eine gemeinsame Strategie und Einigkeit in den gesendeten Botschaften.

4. Leichtfertigkeit: Das Social Web braucht besondere Aufmerksamkeit!

Verfallen Sie niemals dem Irrglauben, Sie könnten genauso kommunizieren wie in anderen Medien auch. Sprache, Frequenz, Interaktionsgrad und Ziel weichen deutlich von den gewohnten Kommunikationskanälen wie Print oder TV ab. Trainieren Sie deshalb geeignete Mitarbeiter (bspw. „Digital Natives“) für die Online-Kommunikation, etwa in Blogs. Geben Sie Ihnen Regeln für die Kommunikation über Social Media Plattformen in die Hand (Social Media Policys).

5. Selbstsucht: Unterlassen Sie überzogene Selbst-Ausschweifungen.

Lassen Sie lieber Ihre Kunden sprechen! Interaktion ist das Zauberwort. Treten Sie in den offenen Dialog mit Ihren Kunden. Es hilft nichts, wenn Sie zum Beispiel Ihre Pressekonferenz in Youtube übertragen, aber nicht auf die während der Übertragung live bei Youtube eingehenden Fragen reagieren (können). Im Gegenzug sollten Sie Ihre Kunden zum Gespräch und zur Aktion auffordern. Die Weiterempfehlungsrate ist ein wichtiger Indikator für Markenattraktivität. „User Generated Content“ zu Ihrer Marke eröffnet Ihnen die Möglichkeit für Weiterempfehlungen. Starke Social-Web-Marken integrieren konsequent Ihre Kunden und kommunizieren hierarchiefrei auf einer Ebene

6. Trägheit: Vergessen Sie niemals, alle Web-Aktivitäten zu messen.

Die Social-Media-Bewegung bringt eine interessante Verschiebung innerhalb der Marketingdisziplinen mit sich. Was nützt die kreative Kraft einer viralen Kampagne, wenn Sie nicht wissen, ob sich der Aufwand gelohnt hat? Tracken Sie deshalb alle Aktivitäten auf sämtlichen Plattformen mit klar definierten Soll und Ist-Größen. Diese Kennzahlen sollten regelmäßig geprüft und Ihre Maßnahmen daraufhin angepasst werden.

7. Ignoranz: Hören Sie nie auf zu lernen, sondern lernen Sie täglich von den Besten.

Die sozialen Medien sind für Unternehmen nahezu aller Couleur eine Herausforderung. Haben Sie deshalb keine Angst, zu lernen und achten Sie besonders auf Best-Practice-Beispiele, auch außerhalb Ihrer Branche. Beispielsweise auf den Versandhändler Otto: Auf einen ernstgemeinten Model-Contest für junge Frauen auf Facebook bekam ein als „Brigitte“ verkleideter männlicher Student die meisten Stimmen der Facebook-Gemeinde. Statt aufgeschreckter Unternehmensmitteilungen im Stile von „das lassen wir uns nicht bieten“ reagierte Otto souverän, bewies Humor und lud die „Gewinnerin“ zum versprochenen Model Shooting ein, begleitet von positivem Medienecho auf alle Kanälen mit dem O-Ton „Otto find ich gut“.

Und Henkel? Im Oktober wird der Konzern die zwei prämierten Pril-Flaschen in den Handel bringen und versprach, den Design-Entwurf „Priiiiiil“, der die meisten Stimmen aus dem Social Web erhalten hatte, ebenfalls zu realisieren. Auf Facebook bedankte sich Henkel derweil für die riesige Resonanz auf den Design-Wettbewerb und drückt es höflich aus: „Danke für die spannende, tolle und teils hochemotionale Zeit!“

Weitere Leseempfehlungen:

» Von der Schummel- zur Glaubwürdigkeitsmarke: Geht in der Markenkommunikation das Testimonial-Zeitalter zu Ende? (von Christopher Spall)

» Marken Agenda 2020: Die 10 wichtigsten Entwicklungen in der Markenführung des nächsten Jahrzehnts (von Achim Feige)


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